Der Aufschwung in Deutschland äußert sich jetzt auch in steigendem Wohlstand. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) stellte für 2010 einen Anstieg der Reallöhne von 1,1 Prozent fest. Die Einkommen waren um 2,2 Prozent gestiegen, nach Abzug der Inflation ergab sich das reale Plus von 1,1 Prozent. Es handelt sich um das erste Mal seit 2004 dass hier ein Plus zu verzeichnen ist. Weniger Arbeitnehmer in Kurzarbeit sorgten für einen Anstieg der geleisteten Arbeitsstunden und infolgedessen die steigenden Gehälter.
Auch die Tariflöhne stiegen 2010 an. Der Anstieg kam allerdings nicht allen Branchen gleichermaßen zugute, und einige Branchen lagen sogar real im Minus. Das WSI rechnet nun damit, dass in Lohnverhandlungen 2011 angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung weitere spürbare Lohnerhöhungen möglich sein sollten. Gewerkschaften wie die IG Bau forderten bereits eine Lohnerhöhung von fast sechs Prozent für die rund 700.000 Beschäftigten in der Branche. Auch andere Körperschaften gehen mit einer Forderung von zwischen fünf und sieben Prozent in die Verhandlungen.
Deutschland: mit Volldampf aus der Krise
Das kräftige Wirtschaftswachstum, das auch für dieses Jahr erwartet wird, dürfte dabei auch mithelfen. Experten erwarten weiterhin mehr als zwei Prozent Wachstum, getragen in zunehmendem Maße von Privatkonsum und Binnennachfrage. Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden fielen ebenfalls höher aus als erwartet, das Bundesfinanzministerium rechnet mit einem erheblichen Anstieg auch der Unternehmensgewinne. Die Investitionen im Baugewerbe nahmen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ebenfalls zu, mit einer besonders kräftigen Zunahme im Wohnungsbau. Der ifo-Geschäftsklimaindex für Deutschland stieg im Dezember auf ein Rekordhoch, die Krise scheint also überwunden.
Diese erfreuliche Entwicklung bringt aber eigene Probleme mit sich. In Deutschland ist die Entwicklung mit hohem Wachstum und steigenden Löhnen eigentlich an einem Punkt, wo eine Leitzinserhöhung zur Bekämpfung inflationärer Tendenzen vonnöten wäre. In anderen Ländern sind allerdings weiterhin Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur erforderlich. Die Europäische Zentralbank (EZB) steckt also in einer Zwickmühle. Die Zentralbanker sehen zwar keinen Grund zur Panik, aber das starke Wachstum in vielen Schwellenländern treibt die Rohstoff- und Energienachfrage und führt dadurch zu steigenden Preisen.
Inflationsgefahren niedriger als befürchtet?
Die EZB ist zwar in der Vergangenheit beherzt gegen Inflationsgefahren vorgegangen, nun aber steht sie vor dem Problem, dass solche Maßnahmen in den Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit und geringem Wachstum zu verschärften Problemen führen könnten. Länder mit schwächelnder Wirtschaft und hoher Verschuldung könnten so tiefer in die Bredouille geraten, was sich zu einer neuen Krise des Euroraumes auswachsen könnte. Wenn weder von der EZB noch von den unter Sparzwang stehenden Regierungen Impulse ausgehen, droht diesen Ländern ein wirtschaftlicher Teufelskreis. Da viele Regierungen ohne Wachstum ihre Haushalte nicht konsolidieren können, wäre das fatal.
Da außerdem der Preisanstieg in Deutschland stark von den volatilen Ölpreisen getrieben wird und nicht von einem allgemeinen Anstieg des Preisniveaus, scheint die Inflationsgefahr noch nicht akut. Experten rechnen daher für 2011 mit nur mäßiger Inflation und einem Leitzinsanstieg erst 2012.
Redaktion (25.01.2011)