Pflicht zur ordnungsgemäßen Beratung über Kapitalanlagen kann bei erfahrenen Anlegern eingeschränkt werden. Urteil des OLG Schleswig (Az. 5 U 70/11).
Fast jeder kennt einen Fall, in dem ein vermeintlich unerfahrener Anleger von einem windigen Anlageberater übers Ohr gehauen wurde. Dies geschieht insbesondere dadurch, dass entweder zu wenig oder schlichtweg falsch beraten wird. Gerade die Beratung ist im Hinblick auf den Erfolg bei der Investition in eine Kapitalanlage von entscheidender Bedeutung. Die Anlage muss zu den persönlichen Voraussetzungen, und Zielen passen, sonst sinken die Erfolgschancen deutlich.
Es sollte also klar sein, dass gerade unerfahrener Anleger ausreichend beraten werden sollten. Erfolgt dies nicht, können sie unter Umständen bei einem in der Folge erlittenen Verlust diesen ganz oder teilweise vom Anlagevermittler als Schadenersatz zurückverlangen. Dabei muss jedoch nachgewiesen werden, dass eine Falschberatung vorgelegen hat.
Doch wie verhält es sich, wenn der Anleger ein großes Maß an Erfahrung besitzt? Besteht auch dann noch die Pflicht für den Anlagevermittler zu einer ausführlichen und ordnungsgemäßen Beratung? Und kann der Anleger entsprechenden Schadenersatz verlangen, wenn sich sein Investment nicht so entwickelt, wie er sich dies vorgestellt hatte, und sich dabei auf eine nicht ordnungsgemäße Beratung berufen?
Fragen über Fragen, mit denen sich auch das Oberlandesgericht Schleswig zu beschäftigen hatte. Hier ging es um einen sehr interessanten Fall, der sich wie folgt darstellt:
Kläger war ein seit Jahren erfahrener Kapitalanleger und zugleich Kunde einer deutschen Bank, der sich insbesondere dem Handel mit Zertifikaten und Derivaten verschrieben hatte. Dieser erwarb über seine Hausbank hochspekulative Wertpapiere, deren Performance sich jedoch nicht so entwickelte, wie er es sich gewünscht hatte. In der Folge kam es zu einem recht hohen finanziellen Verlust für den Anleger. Da er angeblich durch den Anlageberater seiner Hausbank nur mangelhaft über die Risiken der entsprechenden Wertpapiere informiert worden sei, verlangte er von seiner Bank entsprechenden Schadenersatz für die finanziellen Verluste. Diese erklärte sich damit jedoch nicht einverstanden, woraufhin der Fall vor Gericht ging.
Die Verhandlung wurde vor dem Oberlandesgericht Schleswig geführt. Hier kam der Richter zu der Ansicht, dass ein erfahrener Anleger grundsätzlich nicht die gleiche Beratung benötige wie jemand, der keine oder nur wenig Erfahrung mit Wertpapieren besitzt. Von einem erfahrenen Anleger dürfe durchaus erwartet werden, dass dieser die mit einer bestimmten Anlage verbundenen Risiken realistisch einschätzen könne. So könne beispielsweise davon ausgegangen werden, dass der betreffende Kapitalanleger die fehlende Einlagensicherung von Zertifikaten und anderen Wertpapieren im hochspekulativen Bereich von selbst erkennt. Somit sei der Hinweis auf den hochspekulativen Charakter der jeweiligen Anlage eine reine Formalie, die dem erfahrenen Anleger keinen Informationsgewinn bringe. Damit sei die Bank nicht dazu verpflichtet, erfahrene Anleger entsprechend aufzuklären. Die Klage wurde also abgewiesen, der Anleger muss den Verlust aus der Kapitalanlage selbst tragen.
Was bedeutet dieses Urteil für Sparer und Kapitalanleger?
Eine pauschale Aussage über die Bedeutung des Urteils kann nicht getroffen werden. Zunächst einmal müsste genau definiert werden, was man unter einem „erfahrenen Anleger“ verstehen. Oder, konkret gefragt: Wie viele Investments, Transaktionen etc. muss ein Anleger durchführen, um auch vor Gericht als „erfahren“ zu gelten? Diese Frage zu beantworten, dürfte sich als nicht einfach gestalten. Auch die Gerichte tun sich mit der Beantwortung dieser Frage schwer, sie muss immer wieder im jeweiligen Einzelfall neu entschieden werden.
Trotzdem gilt für Anleger: Am besten ist immer eine Kombination aus kompetenter Beratungen und dem Fachwissen des Anlageberaters (beispielsweise ein Spezialist von der Hausbank) sowie der nötigen Portion eigenen Wissens bzw. eigener Erfahrung. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, so ergeben sich die besten Chancen für eine erfolgreiche Kapitalanlage.